Ist Digitalisierung wirklich das Um und Auf in der Pädagogik der Zukunft?
Anfang Mai hat der Deutsche Philologenverband (DPhV) einen Leitantrag zur Digitalisierung an Gymnasien verabschiedet. Hintergrund dafür war nicht nur das ohnehin im Raum stehende Vorhaben der Digitalisierung unter dem Druck einer gewissen Notwendigkeit, sondern natürlich auch die Erfahrung mit der Corona-Krise und ihr Einfluss auf Lehren und Lernen am Gymnasium aber auch bei allen andren Schulformen. Der eingefrorene Präsenzunterricht, das Ausweichen auf das sogenannte homeschooling wurde zur großen Belastung für die Eltern, Schüler und Lehrer.
Man ist sich trotzdem sicher: Das veränderte „Rezeptionsverhalten beim Medienkonsum und beim Wissenserwerb unserer Schülerinnen und Schüler erfordert neue Methoden und neue Fähigkeiten.“ Soweit grundsätzlich d’accord. Dass Schüler und Lehrer aus der technologischen Entwicklung, die mittlerweile unsere gesamte Kommunikation entscheidend prägt, nicht herauskönnen, ist eine Binsenweisheit. Nichtsdestotrotz halte ich die ständige Digitalisierungspropaganda für wenig hilfreich.
Anstatt verstärkt Wert auf die Ausbildung und Pflege der bewährten Lern- und Wissensvermittlungstechniken zu legen, scheint es, als ob in der Digitalisierung eine Art pädagogisches Heilsgeschehen gesehen wird. Dabei sind die technischen und finanziellen Anforderungen erstmal immens. Es müssen nicht nur flächendeckend leistungsfähige Breitbandanschlüsse her. Ebenso sichere und leistungsfähige WLAN-Netze, moderne digitale Infrastrukturen, 24-stündige Reparaturservices, datenschutzrechtliche Probleme müssen gelöst werden. Persönliche Dienstgeräte und Software sollten für die Lehrer bereitstehen, die Installation von Lernplattformen und dienstlichen Mail-Adressen für die Lehrkräfte möglich sein – all das ist zwingend notwendig. Ob angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklungen unsres Landes Geld für diese Dinge vorhanden ist, ist zu bezweifeln. Wichtig wären doch erst einmal bundesweit sanierte Schulgebäude und eine sichere Schulweginfrastruktur.
Außerdem sollten zuallererst auch die Nachteile digitaler Medien im Unterricht breit diskutiert werden. Denn beim Einsatz digitaler Lerntechnologien besteht unter anderem die Gefahr, Wissen gewissermaßen ins Netz „auszulagern“, wo es nicht gelernt werden muss, sondern immer per Mausklick abrufbar ist. Teure, nicht von jedem leistbare Endgeräte und zu wenige, in digitalen Medien ausgebildete Lehrkräfte sind – wie das Zurückfahren unmittelbarer Kontakte zwischen Lehrern und Schülern – nicht unbedingt Umstände, die für eine haltlose Digitalisierung sprechen.